Rezension

Sämtliche Bände mit Commissario Salvatore Montalbano, von seinen Freunden nur Salvo genannt, habe ich gelesen. An irgendeiner Stelle meiner Rezensionen habe ich einmal angemerkt, dass es dem Autor gelungen ist, das Älterwerden seines Protagonisten würdig und zugleich glaubwürdig darzustellen. Auch dieser Umstand gehört zu den bemerkenswerten Besonderheiten der Montalbano-Reihe.
Der 2019 verstorbene Autor hat eine Roman-Reihe geschaffen, die zwar eindeutig zum Genre der Kriminalliteratur gehört, eigentlich aber viel mehr aufzuweisen hat, als die üblichen Zutaten für eine Geschichte, in der es vornehmlich um Mord und Totschlag geht.
Camilleris Liebe und Zuwendung gehören seinem Sizilien, seiner Regionen, samt den dort lebenden Menschen, mit all ihren besonderen Eigenheiten. Und das bezieht sich selbstverständlich auch auf das gesamte Kommissariat und ihren Chef.
Die spürbaren Unterschiede in der Lebens-Einstellung der Sizilianer zum „Norden“ Italiens werden selbst in der Beziehung zwischen Salvo und seiner bei Genua lebenden Verlobten Livia deutlich. Sprache, Gestik und unterschiedliche Sichtweisen selbst auf das Alltagsgeschehen werden regelmäßig zu roten Linien in ihrer Beziehung.
Diese Reihe lebt in erster Linie von den Akteuren. Die Leserschaft kann darauf vertrauen, dass sie in einem neuen Band vertraute Gesichter sieht. Das ist wichtig, denn die große Geschichte lebt auch von den vielen kleinen Geschichten, die jeder und jede erlebt.
Warum habe ich bis jetzt noch nichts zur Handlung gesagt? 
Weil Hinweise darauf jeder dem Einband entnehmen oder im Netz nachlesen kann. Und weil diese bruchstückhaften Beschreibungen keinen Hinweis auf den Gehalt des Buches liefern. 
Wie in fast allen Montalbano-Bänden hat sich der Autor auch hier eines aktuellen Themas angenommen. Dieses Mal ist es der nicht enden wollende Flüchtlingsstrom. Davon war gerade dieser Teil Italiens besonders betroffen. Vergessen Sie nicht, das Buch wurde bereits 2016 geschrieben.
Camilleri hat es verstanden, die Dramatik der Ereignisse mit der Handlung so zu verknüpfen, dass sie anschaulich wird. Er schildert die Ereignisse auch aus Sicht der Helfer und der betroffenen Region. Und wenn sich ein Autor vom Format eines Andrea Camilleri mit dem Thema Flüchtlingsstrom beschäftigt, dann klingt das anders als in einer Tageszeitung. 
Ach ja, Montalbano hat auch in diesem Band seine recht eigenwillige Art zu ermitteln, nicht aufgegeben. Um die Feinheiten in seinen Gedanken sämtlich nachzuvollziehen, empfehle ich (wieder einmal) langsam zu lesen. Dies ist wieder einmal eines jeder Bücher, die man getrost ein zweites Mal lesen kann. Sie werden staunen, was Sie beim ersten Mal übersehen haben.

Andrea Camilleri
Das Ende des Fadens: Commissario Montalbano übt sich in Geduld. Roman

ISBN: 9783785727522

Verlag: Lübbe

Erschienen: 28.01.2022

Seitenzahl: 272


Bewertung

5/5 Region

5/5 Sprache

5/5 Originalität

5/5 Emotion

5/5 Plot (das Handlungsgerüst)


Gesamtbewertung

Informatives

Autor/en

Er ist der Oldie seiner Zunft. Der Autor wurde 1925 in Porto Empedocle geboren und war in seiner Heimat bis etwa 1978 nur als Drehbuchautor und Regisseur bekannt. Er lebte mit seiner Frau in Rom, im Stadtteil Trastevere. Wer schon mal dort war, wird Camilleri verstehen. Andrea Camilleri starb im Juli 2019.

Kommissar/e


Tatort/e