Rezension
Sie stimmen sich am besten auf die Kriminalromane um Commissario Montalbano ein, in dem Sie sich mit dem Finger auf der Landkarte, oder auch mit dem Cursor auf Ihrem Bildschirm, an den Wohnort von Salvatore Montalbano begeben. 
An der Südwest-Küste Siziliens suchen Sie Punta Secca und wenn Sie nahe genug heranzoomen, erkennen Sie La Casa di Montalbano (das steht da wirklich). Außerdem finden Sie die Mole und weitere Plätze, die immer wieder in den Geschichten auftauchen. 
Der heute neunzigjährige Autor Andrea Camilleri stammt aus dem von Punta Secca nicht weit entfernten Küstenort Porto Empedocle
Er weiß also, worüber er schreibt. Und dass er seine Heimat nicht nur kennt, sondern auch liebt, wird in all seinen fast zwanzig Bänden um Montalbano deutlich. 
Ich kenne alle Krimis des Autors und kann somit behaupten, dass auch dieser achtzehnte Band von der gleichen kraftvollen Sprache geprägt und denselben unverwechselbaren Figuren beherrscht wird, wie der erste. 
Sollten Sie zum ersten Mal einen „Montalbano“ in die Hand nehmen, dann erwarten Sie bitte keinen "Krimi". 
Camilleri erzählt Begebenheiten, die sich wahrscheinlich so nur auf Sizilien zutragen können. Die typisch für das Land sind. 
Natürlich geschieht am Anfang der Handlung ein Mord, eine schreckliche Geschichte. Aber hier, im tiefsten Süden des Landes, wird anders und aus anderen Gründen gemordet – und es wird auch ein wenig anders ermittelt. 
Nicht nur, weil sich in der Region um die (fiktive) Provinzstadt Montelusa permanent zwei verfeindete Mafia-Familien bekämpfen – mit den entsprechenden Folgen versteht sich. Oder weil Salvatore Montalbano am liebsten allein ermittelt, obwohl er seine Mitstreiter über alles schätzt. Oder weil zwischen dem Kommissariat in Vigata und den Carabinieri eine Dauerfehde herrscht. 
Es gibt viele Gründe, dass für Außenstehende hier alles anders und für die Einheimischen alles ganz normal ist. 
In Der Tanz der Möwe ist Salvo, wie er von seinen Freunden und seinem Stellvertreter Mimi Augello genannt wird, persönlich betroffen. Sein junger Mitarbeiter Fazio ist spurlos verschwunden. Offenbar war er in einen Hinterhalt geraten. Als sich zeigt, dass es jemand gezielt auf ihn abgesehen hat, vergisst der Commissario alles um sich herum. 
Auch Livia. 
Livia, die in Genua wohnt und ihren Salvo in unregelmäßigen Abständen besuchen kommt, die sich gerade ein paar erholsame Tage mit ihrem Freund erhofft hat, die vergisst er innerhalb von Minuten. 
Das ist nicht böse gemeint. 
So reagiert der Commissario, wenn er sich auf einen Fall konzentriert. 
Dass Livia abgereist ist, merkt er erst später – viel später. 
Andrea Camilleri schreibt nicht nur spannende Kriminalromane mit starken Figuren, von denen jede ihren festen Platz in seinen Geschichten hat. Er ist auch ein Meister der Sprache. Es gelingt ihm, auch den deutschen Leser spüren zu lassen, dass er sich auf Sizilien, und nicht in „Italien“ befindet. 
Und außerdem ist er ein glänzender Lyriker. Er verführt den Leser mit Leichtigkeit zu gedanklichen Ausflügen und Betrachtungen außerhalb des eigentlichen Geschehens und stellt Salvo regelmäßig als sehr belesen dar. Und zwar immer dann, wenn Dritte in dem Commissario nichts anderes als "nur" einen Ermittler sehen. 
2014 erschien Der Tanz der Möwe. Es ist der siebzehnte Band um Commissario Montalbano und erschien, wie auch die anderen, bei Bastei Lübbe. 
Andrea Camilleri
Der Tanz der Möwe


Bewertung

5/5 Region

5/5 Sprache

5/5 Originalität

5/5 Emotion

5/5 Plot (das Handlungsgerüst)


Gesamtbewertung

Informatives

Autor/en

Er ist der Oldie seiner Zunft. Der Autor wurde 1925 in Porto Empedocle geboren und war in seiner Heimat bis etwa 1978 nur als Drehbuchautor und Regisseur bekannt. Er lebte mit seiner Frau in Rom, im Stadtteil Trastevere. Wer schon mal dort war, wird Camilleri verstehen. Andrea Camilleri starb im Juli 2019.

Kommissar/e

Salvo Montalbano. Commissario und Chef einer kleinen Dienststelle auf Sizilien, irgendwo an der Küste. Stur ist Montalbano, der mal so und mal Salvo genannt wird. Er schafft es spielend, seine Freunde und seine weit weg wohnende Freundin zu verprellen. Er ermittelt am liebsten allein und liebt das Essen über alles. Man möchte ihn kennenlernen.

Tatort/e