Natürlich kenne ich den Autor, als Verfasser der Dengler-Krimis, die zu den politischen Kriminalromanen zählen. Ich schätze seine Recherchen, die den Leser mitunter mehr schockieren als ein noch so gut erzählter Thriller, der "nur" im Kopf entsteht. Seine verfilmten Romane verdienen nach meiner Einschätzung übrigens die gleiche Anerkennung.
Und jetzt beginnt dieser Autor mit seinem italienischen Kollegen Claudio Caiolo eine neue Reihe, um Commissario Morello.
Ich will das Verdienst des Einzelnen nicht schmälern, nur so viel: Die Gesamtleistung ist überragend. Man spürt die Aufgabenteilung: Hier glänzende Recherche und da eine unglaubliche Spannung. Die Geschichte lebt von einer fast schon erschreckenden Detailgenauigkeit. Da wird nichts bloß angedeutet. Es gibt keine nebulösen Vermutungen, die auf Unkenntnis schließen lassen. Nein, liebe Leser, da werden Namen genannt, richtige, wahre Namen, da werden Zusammenhänge erklärt, die sprachlos machen.
Ist das wahr?
Ja, das ist wahr.
Und Claudio Caiolo hat die zum Thema passenden Figuren geschaffen. Allen voran Commissario Antonio Morello. Er bekämpft gnadenlos die Mafia. Mit aller Härte, unnachgiebig. Es ist viel über die Mafia und ihre Strukturen geschrieben worden. In den Kriminalromanen von Andrea Camilleri mit Commissario Salvatore Montalbano gehört diese Organisation zum festen Bestandteil der Handlungen und 2009 erschien von Camilleri bei Kindler M wie Mafia, die Geschichte des Mafiabosses Bernardo Provenzano. Sehr lesenswert.
Der freie Hund erklärt den Kampf gegen die Mafia aus Sicht eines Polizisten. Dieser Kampf muss geführt werden, obwohl er manchmal aussichtslos zu sein scheint. Und um die, die durchhalten und anderen Vorbild sein wollen, genau um die geht es. Es ist nicht die Verbissenheit eines vermeintlichen Helden, sondern die unnachgiebige Entschlossenheit eines Hüters von Recht und Ordnung, die der Leser in der Figur des Morello (so wird er stets genannt) bewundern kann.
Und dann ist da noch Venedig. Die schönste Stadt der Welt. Fast zu einem zweiten Thema hat das Autoren-Duo die Zustände (kann ich nicht anders beschreiben) gemacht: Die Belastung durch den Besuch der Kreuzfahrtschiffe. Vom Nutzen für wenige bis zum Übel für viele reicht die Palette.
Auf die Handlung bin ich in meiner Rezension (wieder einmal) nicht eingegangen. Warum auch? Das können Sie alles dem Einband und den Ankündigungen entnehmen. Ich möchte Sie vielmehr neugierig machen auf eine Geschichte mit einem außerordentlich hohem Maß an Authentizität. Mit sorgsam ausgewählten Darstellen. Auch an denen werden Sie Ihre Freude haben.
Der freie Hund erschien bereits im Februar 2020, im Verlag Kiepenheuer & Witsch (KiWi). Ich habe mir übrigens, noch während des Lesens dieses Bandes, den zweiten Band Der Tintenfischer bei meiner Buchhändlerin gekauft. Er erschien im Juni 2021. Jetzt bin ich wieder zeitlich auf der Höhe.