Die Verwendung von Superlativen und Übertreibungen jeglicher Art ist nicht ungefährlich. Niemand kann in die Zukunft schauen und abschätzen, was noch kommt. Und wem steht es schon zu, ein absolutes Urteil abzugeben?
Ich beschließe nach dem Lesen von Die Spur des Lichts, diesen Band als den bislang (!) bemerkenswertesten und einfühlsamsten "Montalbano" zu bezeichnen. Nach dem Lesen aller (!) Montalbano -Bände und fast sämtlicher historischer Bände (mehr als zwanzig) von Andrea Camilleri, erlaube ich mir diese Bewertung.
Der Autor hat die Reihe der "Montalbanos" in bewährter Weise fortgesetzt. Viele sogenannte Reihen, die sich um eine Zentralfigur ranken, leiden unter Ermüdungserscheinungen (was eigentlich natürlich ist) oder vielfältigen Wiederholungen (auch noch verständlich) – Camilleri hingegen schreibt Fortsetzungen, gleichermaßen geeignet für Montalbano-Fans und für Neueinsteiger. Die zum besseren Verständnis notwendigen Informationen aus vorangegangen Bänden streut der Autor spielerisch ein, ohne die Handlung zu dehnen oder gar den Leser zu langweilen.
Camilleri versteht es glänzend, seine Geschichten dem (zwangsläufig geschuldeten) Alterungsprozess, dem alle Akteure unterliegen, anzupassen. Für das Tempo in der Geschichte sorgen nach wie vor die Dialoge und durchweg alle Auftritte der Beteiligten.
Natürlich geht es in diesem Band um einen Kriminalfall à la Vigàta (das kleine sizilianische Küstenstädtchen ist von Anbeginn der Reihe der Ort der Handlungen).
Es sind stets merkwürdige Umstände, die eine Ermittlung auslösen. Nicht im ersten Moment erklärbar, scheinbar ohne Grund, bar jeglicher Logik, usw. So auch diesmal. Eine Explosion vor einem leerstehenden Lager. Wer macht so etwas? Die Mafia? Das wäre die einfachste Lösung. Doch die im Umfang mit der örtlichen Mafia vertrauten Polizisten sind ratlos. Trotzdem muss ja ermittelt werden. Allmählich kommen Details ans Tageslicht, die einen durchaus ernstzunehmenden Grund für diese Tat vermuten lassen.
Zur „sizilianischen Variante“ von Ermittlungen und Recherchen gehören unverzichtbar Verwirrspiele und Verführungskünste. Hierzu zählen auch die zunehmenden Attacken mancher Damen, die in dem allein in einem Haus am Meer lebenden Commissario eine leichte Beute vermuten. Ich erinnere daran, dass Salvos langjährige Freundin immer noch bei Genua wohnt und gegenseitigen Besuchen regelmäßig zeitraubende Vorbereitungen vorangehen (und Salvo somit genügend Zeit bleibt, sich auch mental auf das Wiedersehen mit Livia vorzubereiten).
Geradezu ein Kabinettstück liefert Camilleri in diesem Buch mit der Figur des Protagonisten Salvatore Montalbano und zwar mit dem Privatmann Salvo.
Am Anfang steht eine vom Commissario selbst getroffene Erkenntnis: „Wenn er an manchen Abenden so lange auf der Veranda sitzen blieb, rauchte und Whisky trank, dann nicht, weil er nicht schlafen konnte, sondern weil er keine Lust hatte, allein im Bett zu liegen. Gern hätte er Livia an seiner Seite gehabt, und wenn nicht Livia, dann eine andere schöne Frau.“ Was dann folgt, liebe Leser, ist feine anspruchsvolle Literatur. Ich verspreche Ihnen ein Höchstmaß an Spannung und Überraschung. Camilleri zeigt zum wiederholten Male, dass er meisterhaft schreiben kann. Freuen Sie sich darauf.
Dieser neunzehnte Band erschien im April 2017 und wieder bei Bastei Lübbe.