Rezension
Antje Friedrichs besitzt den Mut zum Kleinen, zum Überschaubaren. Sie hat sich die zweitkleinste der sieben bewohnten Ostfriesischen Inseln ausgesucht. Diese Insel gehört als einzige der bewohnten ostfriesischen Inseln nicht zum historischen Territorium Ostfriesland, sondern ist historisch Teil des friesischen Jeverlandes. Dass sich die Autorin dort auskennt beweist sie auf unaufdringliche Art und Weise.
Das Spektakuläre liegt Antje Friedrichs nicht. Sie hat den Mut, sich mit Details bzw. kleinen Schritten zu beschäftigen.
Worum geht es?
Auf dieser kleinen Insel wird ein kleiner Mensch entführt, nämlich der dreijährige Leo. Während sich die Mutter in einem der Nachbarhäuser aufhält und dort in sehr angenehmer Gesellschaft die Nachtstunden verbringt, verschwindet Leo. Die Aufregung ist so groß wie die Summe der Vorhaltungen gegenüber der allzu sorglosen Mutter.
Aber er ist nun mal spurlos und anscheinend auch grundlos (noch gibt es keine Lösegeld-Forderungen) verschwunden. Die Tat allein ist schon schrecklich, aber wie es bei derartigen Vorkommnissen üblich ist, steht auch der „gute Ruf“ der Insel auf dem Spiel.
In Ermangelung eines eigenen Insel-Kommissariats werden die Kriminalhauptkommissarin Tomma Wilken und ihr einige Jahre jüngerer Kollege, Kriminaloberkommissar Mike Kalinski vom Festland angefordert. Ihr guter Ruf als Ermittlerin und die Tatsache, dass sie diese Insel aus eigenem Erleben bestens kennt, machen sie bei der neu gegründeten Wilhelmshavener SOKO unverzichtbar.
Wo sucht man ein kleines Kind, das weder Aufrufe lesen noch verstehen kann? Wer hat überhaupt ein Interesse an der Entführung eines kleinen Jungen, dessen Mutter, vorsichtig ausgedrückt, ziemlich mittellos ist.
Über einen Mangel an Reaktionen kann die SOKO nicht klagen. Überall wurde Leon gesehen, wirklich überall. Und jeder Spur müssen die Ermittler nachgehen.
Antje Friedrich hechelt buchstäblich der Ermittlergruppe hinterher, hört jede Vernehmung mit, ahnt mit der Protagonistin und ihrem Kollegen den greifbaren Erfolg, freut sich mit ihnen über jede neue Spur und wird gemeinsam mit Tomma und Mike mutlos.
Nein, es ist nicht der oft bemühte Kommissar Zufall, der die Wilhelmshavener SOKO plötzlich auf die richtige Spur bringt und den Leser in Erstaunen versetzt. Denn in diesem Kriminalroman setzt die Autorin auf handfeste Ermittlertätigkeit.
Die Autorin spielt mit dem Leser und zeigt Vielfalt auf. Die Wangerooge-Entführung können Sie gern im Strandkorb lesen, lieber Leser. Doch nehmen Sie diesen Insel Krimi nicht zu leicht. Er hat es nicht verdient.
Im Klappentext erfährt man dies über die Autorin: „Antje Friedrichs lebt in zwei Welten: im westfälischen Paderborn und in Berlin. Die Nordseeinseln kennt sie seit ihrer Kindheit so gut, dass dort schon vier ihrer Krimis spielen, die sie seit 2000 schreibt. Unter ihrem Ehenamen veröffentlichte sie Gedichte und Stories, aber auch Sachbücher. Einige ihrer Kurzgeschichten wurden prämiert.“
Mehr habe ich über die Autorin nicht erfahren, auch eine Website fand ich nicht. Schade.
Die Wangerooge-Entführung erschien im Juli 2016 bei emons:. 
Antje Friedrichs
Die Wangerooge-Entführung


Bewertung

5/5 Region

5/5 Sprache

5/5 Originalität

5/5 Emotion

5/5 Plot (das Handlungsgerüst)


Gesamtbewertung

Informatives

Autor/en

"Antje Friedrichs lebt in zwei Welten: im westfälischen Paderborn und in Berlin. Die Nordseeinseln kennt sie seit ihrer Kindheit so gut, dass dort schon vier ihrer Krimis spielen, die sie seit 2000 schreibt. Unter ihrem Ehenamen veröffentlichte sie Gedichte und Stories, aber auch Sachbücher. Einige ihrer Kurzgeschichten wurden prämiert." Mehr habe ich über die Autorin nicht erfahren, auch eine Website fand ich nicht. Schade.

Kommissar/e

„Für einen Augenblick stand sie sich selbst nackt im Spiegel gegenüber. Obwohl er von Wasserdampf beschlagen war, sah sie, was nicht zu übersehen war: Ganz bestimmt hatte sie keine Ähnlichkeit mit Aphrodite! Sie sah eine untersetzte Person ohne Taille und mit zu viel schlaffem Fleisch, eine Person, die ihr unter einer Fülle von wirrem, nassem Haar entgegenstarrte und ihr gerade wie aufgeweicht vorkam. Dabei konnte sie knallhart sein. Sie straffte sich, drückte die Schultern durch, hob trotzig das Kinn. Ihr Blick war jetzt wach, hatte wieder ein Ziel. Der Schmerz im Rücken war verschwunden.“ So beschreibt sich die alleinstehende einundvierzigjährige Tomma Wilken selbst im Buch.

Tatort/e