Die Geschichte ist ganz einfach und schnell erzählt. Ein Mann und eine Frau verabreden sich zu einem heimlichen Wochenende in Arles. Die Frau wird zufällig Zeugin eines kaltblütigen Mordes. Der unbekannte Täter raubt ihr eine Tasche mit wichtigen Unterlagen, die sie ihrem Mann am Montagmorgen unbedingt präsentieren muss.
Über diese Geschichte schreibt Cay Rademacher ein 348 Seiten dickes Buch.
Warum?
Weil er es kann.
Aus Sicht eines Theaterkritikers würde ich jetzt noch anmerken, dass es sich um ein Zwei-Personen-Stück handelt und der Aktionsradius der beiden Protagonisten so begrenzt ist, dass man diese Geschichte auch als Bühnenstück bezeichnen könnte.
Die brennende Fragen lautet jetzt: Woher kommt die Spannung? Wie gehen die beiden Akteure mit dem Stoff um?
An dieser Stelle sind die Leser der Krimis von Cay Rademacher klar im Vorteil. Wer seine Handschrift kennt, weiß, da kann nichts schiefgehen. Unterstützung erhält der Autor von seinen beiden „Stars“: Capitaine Roger Blanc und seiner Geliebten Aveline.
Ich kann nur hoffen, dass Sie, lieber Leser dieser Zeilen, zum Kreis der Eingeweihten gehören. Zur Erinnerung sei ganz kurz angemerkt, dass es sich bei Capitaine Roger Blanc um den erst seit kurzer Zeit tätigen Provinzgendarm in der Gendarmeriestation von Gadet (Provence) handelt und bei der Frau um die Untersuchungsrichterin Aveline Vialaron-Allègre (Ehefrau des mächtigen Staatssekretärs) handelt. Größer könnte der Unterschied nicht sein.
Die beiden haben sich im Zuge ihrer Arbeit kennen und lieben gelernt. So gefährlich und riskant ihre Liebschaft (für beide) auch ist: Sie können nicht voneinander lassen. An dieser Stelle erlaube ich mir die Anmerkung, dass Cay Rademacher nicht nur das Krimi-Genre beherrscht, sondern auch mit dem Gefühlsleben zweier so gegensätzlicher Charaktere vortrefflich umgehen kann. Da gibt es keine zuckersüßen Ausflüge und nicht den Ansatz von übertriebener Liebelei. Nein, Blanc und Aveline lieben sich und genauso verhalten sie sich. Wie zwei verliebte erwachsene Menschen, die um das Risiko des Entdeckt-Werdens wissen und in der latenten Gefahr so etwas wie das Sahnehäubchen ihrer Liebschaft erkennen.
Das ist ein Krimi. Es gibt also auch ein Mordopfer. Exakt mit diesem Mord beginnt eine Jagd durch Arles. Cay Rademacher gibt die Richtung an und beginnt mit einem Katz-und Maus-Spiel zwischen Blanc und Aveline und dem Täter. Dabei belässt es der Autor aber nicht. Er nimmt den Leser nimmt und gönnt ihm keine Ruhe. Cay Rademacher lässt den Leser nicht im Unklaren darüber, wann Schluss ist. Und zwar endgültig. Mit diesem Druck muss der Leser leben (und lesen).
Dies ist keine Strandlektüre. Das ist auch nichts zum müde werden. Dieses Buch ist für einen klaren Kopf.
Dunkles Arles ist der fünfte Provence-Krimi um Capitaine Roger Blanc. Das Buch erschien im Mai 2018 bei DUMONT, wie die vorrangegangenen Bände auch.