Rezension
Krimi und Erotik.
Geht das?
Das geht.
Wenn Bengt Thomas Jörnsson einen solchen Krimi schreibt. Ich habe vorher Friesen Fetisch gelesen, war also auf die friesische Variante von Erotik vorbereitet.
Nach einer Travestieshow in einer Scheune wird einer der Künstler am nächsten Morgen tot aufgefunden. Ein Mann in Frauenkleidern. Das ist die allgemeine Feststellung. Jedoch nicht die des Künstlers. Er fühlte sich als Frau und wollte genauso behandelt und verstanden werden.
Damit hat er die allgemeine Meinung gegen sich. Die Reaktionen reichen von belächeln bis anfeinden.
Und schon sind wir beim Thema, um das es dem Autor geht: Intoleranz. Hinzu kommen noch Missgunst und Neid unter Nachbarn.
Bengt Thomas Jörnsson geht intensiv auf die Menschen ein, beschäftigt sich mit gängigen Verhaltensmustern, Allgemeinplätzen und dumpfem Widerstand. Bis hin zur Gewalt. Bei genauer Betrachtung fällt auf, dass von Akzeptanz (seitens der Menschen) wenig die Rede ist. Einfach weil sie fehlt.
Natürlich kommen auch die Krimi-Freunde zu ihrem Recht und die Fan-Gemeinde der Halbinsel Eiderstedt. So schön, so platt, so kahl! Und wenn man Wasser sehen will, ist es nicht da.
Ein toter Travestiekünstler in Eiderstedt. Da spielt der Tatort schon eine Rolle. Da werden erst einmal Gegenfragen gestellt. Und überhaupt ….. Die Auskunftfreudigkeit hält sich in Grenzen. Da wird gemauert, was das Zeug hält. Und natürlich kennt „man“ den Schuldigen. Eindeutig. Ganz klar. Und „die von der Polizei“ sind hier erst recht nicht gern gesehen.
In diesem wahren Dschungel von Gefühlswallungen und Vorurteilen müssen sich zwei behaupten und durchsetzen: Katharina Berg, Kriminalhauptkommissarin bei der Polizeidirektion Husum und Polizeiobermeister Nils Hansen aus Garding. Die beiden könnten nicht gegensätzlicher sein und verstehen sich trotzdem blendend. Die lebens- und berufserfahrene Katharina hat mehr Verständnis für die kleinen Sorgen und Nöte des Nils Hansen als die meisten seiner Nachbarn und Nils fühlt sich einfach zu Katharina hingezogen (nein, da ist nix).
Aber zusammen sind sie ein gutes Gespann. Die Kriminalistin und der auf Eiderstedt groß gewordene Sohn des Bauern Hansen. Dass POM (Polizeiobermeister) Hansen in schöner Regelmäßigkeit in Situationen gerät, die andere in weiser Voraussicht vermeiden, ist eine andere Sache und macht den jungen Polizisten eher liebenswert.
Der Autor betont die Figur der Protagonistin Katharina, ohne dass sie die Handlung erdrückt. Er „benutzt“ die Ermittlerin, um dem Leser verständlich zu machen, was er mit diesem Buch vermitteln möchte.
Deshalb wäre es wünschenswert, wenn nicht nur Krimifreunde zu Friesen Fummel (das ist jetzt nicht doppeldeutig gemeint) greifen würden.
Das Buch erschien im August 2017 und, wie die vorangegangenen Bände des Autors auch, bei emons:. 
Bengt T. Jörnsson
Friesen Fummel Erotischer Heimatkrimi


Bewertung

5/5 Region

5/5 Sprache

5/5 Originalität

5/5 Emotion

5/5 Plot (das Handlungsgerüst)


Gesamtbewertung

Informatives

Autor/en

Bengt Thomas Jörnsson, geboren 1969 in Bremerhaven, ist Pädagoge, Germanist und promovierter Psychologe. Bevor er sich ganz dem Schreiben gewidmet hat, war er einige Jahre in der Wissenschaft tätig. Jörnsson ist verheiratet und lebt und arbeitet in Kiel.

Kommissar/e

Mit Katharina Berg ist Bengt Thomas Jörnsson eine Protagonistin mit Format gelungen. Sie agiert nicht übertrieben selbständig und weist keine Allüren auf, obwohl das Elternhaus genügend Möglichkeiten bieten würde. Als auswärtige Ermittlerin sind Katharinas Spielräume begrenzt. Als „Mann vor Ort“ spannt sie deshalb den jungen Nils Hansen ein.

Tatort/e