Rezension
444 Seiten und nicht eine Seite zu viel. Benjamin Cors schreibt präzise. Egal, ob direkte Rede, eine Beschreibung, eine Erinnerung. Jeder Satz gehört zur Handlung. Das ist kein Hinweis, das ist eine gut gemeinte Warnung, lieber Leser, jeden einzelnen Satz sorgsam aufzunehmen.
Ich habe die beiden vorangegangenen Bände um den Personenschützer Nicolas Guerlain, Strandgut und Küstenstrich, bereits gelesen und war somit vorbereitet auf diesen Mann, der leicht ein Held sein könnte aber kein Held sein will. Er ist Personenschützer, kein Bodyguard, und er ist Sohn eines Vaters, zu dem die Bezeichnung „Vater“ überhaupt nicht passen will. Weiter weg als Nicolas kann man von seinem Vater nicht sein. Sie sind nur zusammen, wenn die Politik es so will, bzw. bestimmt.
Nicolas´ Privatleben beschränkt sich auf wenige Übernachtungen in seiner Pariser Dachgeschosswohnung im 10. Arrondissement und seine Gedanken an Julie, die ihn vor vier Jahren mit den Worten „Ich bin gleich wieder da“ verließ.
Und dann taucht sie wie aus dem Nichts wieder auf. Zu einem Zeitpunkt höchster Anspannung, weil Frankreich Anschläge ungeahnten Ausmaßes drohen. In wenigen Wochen soll der 6. Juni, der D-Day oder, wie er von den Franzosen genannt wird, Le Jour J und Le jour le plus long, gefeiert werden. An diesem Tag ist ein Anschlag geplant. Ein angekündigter Anschlag. Der Täter spielt mit den Politikern und der Polizei. Er ist nicht angreifbar, niemand kann ihn fassen. Die Sicherheitsvorkehrungen sind genau so groß wie der Ehrgeiz des Monsieur le Ministre, Francois Faure, an der Küste der Normandie zum Gedenken an die Landung der Alliierten 1944, das jährliche Treffen der Staatschefs zu einer einzigartigen Veranstaltung zu machen.
Nur einer kennt die drohende Gefahr, nutzt aber seine Machtstellung und seine Befugnisse rücksichtslos aus, dieses Wissen bis zuletzt für sich zu behalten. Dafür hat er gute Gründe – schließlich ist er Profi.
Jetzt beginnt nicht nur ein Wettlauf Gut gegen Böse, sondern auch ein Kampf um einen geliebten Menschen. Mit verdeckten Karten. Mit viel Hoffnung und viel Zuversicht und ganz viel Zynismus.
Gezeitenspiel ist ein Thriller. Doch der Autor bietet Action nur dann, wenn sie glaubhaft wirkt – nicht um jeden Preis. Benjamin Cors will nicht auffallen. Er schildert ungehemmt und genau. Seine Figuren stimmen.
Gezeitenspiel erschien Anfang August 2017 und wieder dtv premium.
Benjamin Cors
Gezeitenspiel


Bewertung

5/5 Region

5/5 Sprache

5/5 Originalität

5/5 Emotion

5/5 Plot (das Handlungsgerüst)


Gesamtbewertung

Informatives

Autor/en

Benjamin Cors ist politischer Fernsehjournalist. Er hat viele Jahre für die ARD Tagesschau, die ARD Tagesthemen und den Weltspiegel berichtet. Heute arbeitet er als landespolitischer Korrespondent für den SWR. Er ist Deutsch-Franzose und hat die Sommer seiner Kindheit in der Normandie verbracht.

Kommissar/e

Nicolas Guerlin ist Personenschützer,“Bodyguard“ hört er nicht so gern. Nach einem unverzeihlichen Fehler wird er von Paris nach Deauville versetzt. Nicolas kommt mit sich allein am besten zurecht. Mal verhält er sich spröde, fast abweisend, ein anderes Mal verfolgt er Spuren mit fast kindlichem Eifer, was seine Mitmenschen immer wieder verblüfft. Allerdings ist sein gesamtes Verhalten zielgerichtet. Nimmt er eine neue Witterung wahr, handelt er ohne großartige Erklärungen - unbeirrbar. Rechthaberei ist ihm fremd. Er überzeugt mit Fakten, danach folgt die Erklärung. Schwierig für jemanden, der ihn nicht kennt und der ihm vertrauen soll.

Tatort/e



Benjamin Cors - Interview mit dem Autor der Normandie-Krimis.



Benjamin Cors - Interview (2. Teil) mit dem Autor der Normandie-Krimis.