Rezension
Wer freut sich über einen Toten?
Tobi freut sich über einen Toten.
Um Tobi zu verstehen und sich mit Tobi zu freuen, muss man wissen, wer Tobi ist.
Kommissar Tobias Schneider - er hatte vor drei Jahren einen schweren Verkehrsunfall. Jetzt ist er wieder soweit genesen, dass er im Lüneburger Ermittlerteam endlich wieder mitarbeiten kann. Ein Schreibtischjob zwar - aber die Freude darüber, wieder gebraucht zu werden, ist groß.
Und dann dieser Fund in einer Baugrube.
Ein Cold Case.
Katharina von Hagemann ist natürlich weiterhin die! Protagonistin, die Autorin räumt aber in Heideopfer (bewusst oder unbewusst) ihren Kolleginnen und Kollegen mehr Spielraum ein.
Finde ich.
Diese verstärkte Zusammenarbeit macht die klassische Polizeiarbeit deutlich. Ein mühsames Geschäft, aus einem dreißig Jahre alten Fund einen Tathergang zu rekonstruieren. Kathrin Hanke verzichtet auf jeglichen Hinweis zur augenblicklich herrschenden Pandemie und konzentriert sich auf den "Fall". Natürlich streut sie auch ein wenig Ablenkung für ihre Leserschaft ein. Das Leben besteht schließlich nicht nur aus Mord und Totschlag. Mir gefällt es, wie sie hier und da ein wenig die Glut anfacht.
Noch etwas fiel mir auf. Ein Cold Case kann so spannend sein wie ein aktuelles Verbrechen. Bei einem "Heute-Fall" sind die ersten 48 Stunden für die Ermittler entscheidend - und bei einem Cold Case? Zeitraubende, geduldige Puzzle-Arbeit. Ohne Action, keine Verfolgungsjagden. Statt dessen: Nachdenken. Rekonstruieren. Fragen.
Und statt eines Showdowns tritt die Wahrheit langsam ans Licht. Häufig als bittere Erkenntnis. Jahrelanges Schweigen und Verschweigen - verbunden mit der Hoffnung des Vergessens. Das ist grausam - für alle Beteiligten. Gibt es Sieger, Gewinner? Oder nur Verlierer? Heideopfer, der 8. Fall für Katharina von Hagemann, erschien am 10. Februar 2021 (wieder) im Gmeiner Verlag. 
Kathrin Hanke
Heideopfer


Bewertung

5/5 Region

5/5 Sprache

5/5 Originalität

5/5 Emotion

5/5 Plot (das Handlungsgerüst)


Gesamtbewertung

Informatives

Autor/en

"Kathrin Hanke wurde in Hamburg geboren. Nach dem Studium der Kulturwissenschaften in Lüneburg machte sie das Schreiben zu ihrem Beruf. Sie jobbte beim Radio, schrieb für Zeitungen, entschied sich schließlich für die Werbetexterei und arbeitete zudem als Ghostwriterin. Ihre Leidenschaft ist jedoch das Geschichtenerzählen, wobei sie gern Fiktion mit wahren Begebenheiten verbindet. Daher arbeitet sie seit 2014 als freie Autorin in ihrer Heimatstadt. Kathrin Hanke ist Mitglied im Syndikat, der Autorengruppe deutschsprachiger Kriminalliteratur, sowie bei den Mörderischen Schwestern." Das schreibt der Gmeiner Verlag zu der Autorin.Was hier nicht steht, wie sympathisch und verbindlich Kathrin Hanke auf ihr Gegenüber wirkt. Ich habe sie während einer Lesung in Hamburg erlebt und durfte sie auch interviewen (siehe Meine Kommissare auf YouTube).

Kommissar/e


Tatort/e



Kathrin Hanke - Interview mit der Autorin von "Die Engelmacherin von St. Pauli"