Wie oft habe ich beim Lesen von Herrengasse gestaunt und mir verwundert die Augen gerieben? Werden hier tatsächlich Begebenheiten und Zustände „meiner“ Schweiz beschrieben? Sind Schweizer nicht anders? Meine häufigen Besuche im „Winter-Wonderland“ haben dazu beigetragen, landläufige Eindrücke stetig zu festigen.
Aber es sind halt auch nur Menschen und warum sollen sie nicht auch Versuchungen erliegen?
Die Autorin Silvia Götschi ist wirklich nicht zimperlich. Sie kommt zur Sache und nennt die Dinge beim Namen. Alle Dinge.
Das erfordert schon Mut und zeichnet sie aus.
Liebe Leser, ich verspreche Ihnen einen Krimi mit einer kräftigen Portion Lokalkolorit, einer offenen Kritik an verkrusteten Strukturen, wie sie gerade in kleineren Gemeinden noch gelebt werden und einer Ermittlerin, die sich von Seite zu Seite die Anerkennung ihrer neuen Kollegen erarbeitet.
Oberleutnant Valérie Lehmann hat erst vor wenigen Wochen den freigewordenen Posten bei der Kantonspolizei Schwyz angetreten – nachdem sie sich von ihrem Mann getrennt hatte.
Aufgrund ihrer bemerkenswerten Vita wird sie, obwohl noch nicht lange im Amt, von der Staatsanwaltschaft mit der Ermittlung im Mordfall Joachim Heinzer beauftragt. Dieser war nicht nur ein angesehener Arzt, sondern auch Politiker. Die Zahl der Einwohner von Schwyz kann man mit rund fünfzehntausend ruhig überschaubar nennen. Mit der Folge, dass hier jeder jeden kennt.
Die Todesumstände des Herrn Heinzer geben nicht nur der Polizei sondern auch seinem nächsten Umfeld Rätsel auf. Wie er aufgefunden wurde, passt überhaupt nicht zu seinem gutbürgerlichen Lebenswandel.
Valérie genießt zwar das Vertrauen und die Rückendeckung der Staatsanwältin, sieht sich aber im Sicherheitsstützpunkt des Kantons Schwyz einer Übermacht an neuen Kollegen ausgesetzt, die es erst einmal von ihren Qualitäten und ihrer Vorgehensweise zu überzeugen gilt.
Die Zeit drängt, Valérie macht Druck und fordert Überstunden.
Ein zweiter Mord wird verübt, der Zusammenhang mit einem ganz bestimmten Kreis von Betroffenen wird erkennbar.
Sich wiederholende Auffälligkeiten an den Tatorten bewirken eine Erschütterung bei der Protagonistin. Sie fühlt sich auf brutale Weise mit ihrer Vergangenheit konfrontiert. So sehr, dass sie eine gegen sich persönlich gerichtete Gefahr vermutet.
Was dem sogenannten Normalbürger nur schwer oder gar nicht vorstellbar erscheint, wird von einer kleinen Gruppe als Normalität gelebt.
Der Schlüssel zur Aufklärung ist die sensible Wahrnehmung von leicht hingeworfenen Äußerungen, die auf den ersten Blick ohne Belang erscheinen. Seh-Eindrücke, die zuerst als unwichtig abgetan werden, erhalten bei fortdauernder Beobachtung plötzlich eine Bedeutung und helfen weiter. Hartnäckigkeit und Unnachgiebigkeit bei Befragungen werden belohnt. Und auch das Beharren auf einer nochmaligen Prüfung von Spuren.
Valérie muss sich nicht nur mit Verdächtigen, sondern auch mit Kollegen auseinandersetzen.
Silvia Götschi zeigt, wie ihr das gelingt.
Herrengasse erschien im Oktober 2015 bei emons: und ist der erste Kriminalroman um die Ermittlerin Valérie Lehmann. Schauen Sie sich bitte auch die Website der Autorin an. Sie bietet einiges. www.silvia-goetschi.ch.
„Silvia Götschi, geboren 1958 in Stand, lebte und arbeitete von 1998 bis 2014 im Kanton Schwyz. Seit der Jugend widmet sie sich dem literarischen Schaffen und der Psychologie. Sie hat sich vor allem in der Zentralschweiz mit der Kramer-Krimi-Reihe und den Davoser Krimis einen Namen gemacht. Seit 1998 ist sie freischaffende Schriftstellerin und Mitarbeiterin in einer Werbeagentur. Sie hat drei Söhne und zwei Töchter und lebt heute mit ihrem Mann in der Nähe von Luzern."