„Der Herrgottschrofen ist eine kleine Konglomerat-Felswand mit einigen, leider abgespeckten Touren im Schwierigkeitsbereich 5-7 bei einer Wandhöhe von 20 Metern.“, so steht es unter www.gapa.de, Klettergärten Garmisch-Partenkirchen. Das und noch viel mehr erfahren Sie auf dieser Website über das 26.000 Einwohner zählende Zentrum des Werdenfelser Landes.
Lieber Leser, haben Sie den ersten Band um den Expolizeireporter Karl-Heinz Hartinger gelesen? Und auch ein wenig mitgelitten? Dann werden Sie den zweiten Band Herrgottschrofen wie eine leichte Erholungsphase im Leben des Karl-Heinz Hartinger, von seinen Freunden Gonzo genannt, empfinden. Das hat sich der umtriebige Investigativ-Journalist auch verdient. Obwohl das, was Hartinger in Herrgottschrofen erlebt, auch kein Zuckerschlecken ist. Aber will dieser Mann denn etwas anderes?
Ich glaube nicht. Er fühlt sich wohl, wenn er einem Unrecht auf der Spur ist, wenn es um sein geliebtes Garmisch-Partenkirchen geht, wenn er improvisieren muss, wenn er verfolgt und gleichzeitig verfolgt wird. Ein solches Leben macht einen Mann zum Einzelgänger. Aber auch Einzelgänger haben Anrecht auf ein Liebesleben und da ist gerade im zweiten Band dem Gonzo ein wenig das Glück hold.
Hartinger muss sehen, wie und wo er sein Geld verdienen kann. Er lebt bescheiden, ist genügsam und wenn er sich seine Dachwohnung nicht mehr leisten kann, dann schläft er bei der Kathi auf dem Dachboden. Die Kathi ist die Mutter von dem Buben, dessen Vater der Hartinger ist. Dafür muss er der Kathi im Haus helfen. So einfach ist das in den Bergen.
Hartinger wäre kein Journalist mit Leib und Seele, wenn er nicht etwas fände, was andere nie finden würden oder auch nie finden wollten. Alles klar? In diesem Fall ist es ein Knochenfund, auf den er beim Joggen, Hartinger leidet an Übergewicht, stößt. Ärgerlich sind zwei Umstände: Die Knochen liegen genau da, wo ein Tunnel (möglichst schnell) gebaut werden soll und die Knochen gehören zum Skelett einer Frau.
Der Autor lässt den Leser noch einmal die Fünfzigerjahre miterleben, als sich im Garmischer Vergnügungspalst Casa Carioca die amerikanischen Truppen von Eislauf-Showgirls unterhalten ließen. Anmerkung: Diesen Vergnügungspalast gab es tatsächlich.
Marc Ritter lässt den Leser aber auch teilhaben an den Planspielen, den geistigen Höhenflügen und dem maßlosen Wunschdenken derjenigen, die das Schicksal der Kreishauptstadt gern mit ihrem eigenen Schicksal (nur zum Vorteil versteht sich) verknüpfen möchten. Das sind zum einen die gewählten Volksvertreter und zum anderen die überschaubar kleine Gruppe, deren Bedeutung an der Höhe ihrer Gewerbesteuer-Zahlungen gemessen wird. Und auf die keine Gemeinde verzichten will.
Hartinger hat eine Spur und einen seriösen und verlässlichen Helfer. Aber Hartinger hat auch viele und mächtige Gegner. Da ist er machtlos, wird eingesperrt und arbeitet aus der Zelle an seinem Comeback.
Marc Ritter beschreibt Szenarien, bis dem Leser schwindelig wird. Was mir zu unwahrscheinlich erscheint, vergleiche ich dann morgens beim Frühstück mit den Überschriften aus aller Welt. Und schon wird der Irrsinn vorstellbar.
Für diese kühnen Bilder hat der Autor einen Gegenpol geschaffen: Gonzo. Der arbeitet völlig unbeirrt an der Lösung des Falls, obwohl die Einschläge immer näher kommen.
Bin neugierig, wann Marc Ritter Hausverbot in Garmisch-Partenkirchen erhält.