Gerade auf den ersten Seiten eines Krimis muss den Leser erfahrungsgemäß das Grauen packen. Ein Toter (gilt gleichermaßen für Damen und Herren) wird gefunden. Mal in diesem, mal in jenem Zustand. Und weil es sich um einen Krimi handelt, stellen Schaulustige, Polizei und der (fast überflüssige Mediziner) unisono fest: Der oder die wurde umgebracht.
Der Schrecken hat sich bei allen Beteiligen gelegt – jetzt wird ermittelt. Die Tätersuche beginnt.
Jörg Maurer geht da irgendwie netter, freundlicher, nennen Sie es gern rücksichtsvoller, mit dem Leser um. Er bietet Humor vom feinsten und hübsche Satzgebilde, die daran erinnern, wie schön die deutsche Sprache sein kann. Dazu ein wenig bayerische Mundart und er versetzt den Krimileser in Hoch- und Urlaubsstimmung.
Jörg Maurer schreibt nicht „lustig“ oder „komisch“ – das würde in seinen Fällen fast schon an Beleidigung grenzen. Er arbeitet mit unserer Sprache, die häufig zu Unrecht als sperrig und hölzern beschrieben wird. Er spielt mit Worten und Begriffen, dass einem schwindelig werden kann.
Der Autor schreibt und beschreibt bildhaft. Situationen und Figuren sind vorstellbar und greifbar. Und dazu gibt es noch eine gehörige Portion Fachkunde sowie spürbare Ortskenntnis.
Im Im Grab schaust du nach oben hat sich Jörg Maurer der Jäger angenommen. Egal, ob Personenbeschreibungen, spezielles Auftreten, oder Hang zur überzogenen Darstellung bzw. Zur-Schau-Stellung. Doch nie verletzend, stets nur beschreibend, nicht herabwürdigend und immer die Grenzen des Möglichen beachtend.
Das ist Jörg Maurer.
Sein Rüstzeug ist solide. Seine Biografie auf seiner Website joergmaurer.de nimmt sich zwar bescheiden aus (man sollte deshalb auch den Klappentext studieren), liefert aber genügend Hinweise auf sein Können.
Eigentlich will ich eine Rezension schreiben. Bezug nehmen auf den Plot, die Geschichte, die Raffinesse des Autors hervorheben, die Protagonisten loben, das Wiedersehen mit dem Ermittlerteam feiern.
Ich verzichte darauf, ich mach’s mal anders.
Bis auf eine oder zwei Krimis dieses Autors habe ich alle gelesen. Mit wachsendem Vergnügen und mit zunehmender Anerkennung für den ihm eigenen Sprachstil. Im Grab schaust du nach oben hat mir am besten gefallen. Neben den erwähnten Merkmalen kommt hier noch eine gehörige Portion Originalität hinzu.
Ach ja, noch ein Begriff fällt mir in diesem Zusammenhang ein: Empathie. Der Autor schreibt mit viel Empathie. Der Begriff findet sich vermehrt in unserem täglichen Sprachgebrauch wieder - es sollte nur verwendet werden, wenn es wirklich passt - wie in diesem Fall.
Das Buch erschien im April 2017 bei FISCHER Scherz. Es ist Kommissar Jennerweins neunter Fall.