Rezension
Kerstin Lange versteht es, ein für viele unbequemes Thema in einen Kriminalfall so zu verpacken, dass eine nachvollziehbare und verständliche Geschichte entsteht. Eigentlich ist es eine Familiensaga. Nämlich die der Familie Beringer. Jedes Familienmitglied regt die Phantasie der Mitmenschen an. Zur Klarstellung sei gleich gesagt, dass sich keiner von ihnen durch ein erwähnenswertes Maß an Sympathie auszeichnet - eher das Gegenteil ist der Fall. Seien Sie also auf Überraschungen gefasst, liebe Leser, und behalten alle im Auge.
Eine ganz "starke Rolle" hat sich die Autorin für den im Ruhestand befindlichen Kriminaloberrat Ferdinand Weber ausgedacht. Er läuft in Lügenbilder geradezu zur Hochform auf. Nicht nur seine ehemaligen Kollegen in der Polizeiinspektion Speyer haben ihre helle Freude an dem Chef a.D., sondern in gleichem Maße auch seine "Freundin" Jeannette. Wobei "enge Bekannte" es wohl eher träfe. Auch in dieser Beziehung tut sich eine Front auf, an der sich Weber regelrecht austobt. Kerstin Lange geht bei der Schilderung der Uverfrorenheiten dieses alten Griegrams bis an die Grenze des Erträglichen.
Gehört das in einen Krimi?
In einen guten Krimi ja. Denn dieses ewige Nörgeln, die offen zur Schau getragene Unzufriedenheit, das unerlaubte Schnüffeln in fremden Angelegenheit dient Weber einzig zur Verbrechensaufklärung. Er ist halt ein Fuchs. Ein alter Fuchs und gewieft dazu. Der Leser möchte an ihn glauben, aber Weber macht es einem nicht leicht. Verrent er sich nicht vielelicht doch? Sollte er die Ermittlungen nicht lieber seinem Nachfolger, Hauptkommissar Christian Hamacher, überlassen?
Immer mehr schleicht sich im Laufe der Handlung Bernd Beringer ein. Sohn des alten Beringer und Apotheker, wie sein Vater. Eine unglückliche Figur. Und ein Exempel dafür, in welchem Maße ein junger Mensch unter einen nicht für möglich gehaltenen Einfluss geraten kann. Ganz allmählich wird sein Wille gebrochen und das Unheil nimmt seinen Lauf.
Die Autorin beschreibt ein gefährliches Szenario leise, ganz leise, nicht mit erhobenem Zeigefinger. Sie schildert eine Familiengeschichte und eine jederzeit vorstellbare Entwicklung.
Lügenbilder erschien im Herbst 2020 im Wellhöfer Verlag.
Kerstin Lange
Lügenbilder


Bewertung

5/5 Region

5/5 Sprache

5/5 Originalität

5/5 Emotion

5/5 Plot (das Handlungsgerüst)


Gesamtbewertung

Informatives

Autor/en

Kerstin Lange lebt mit ihrem Mann und Hund in Speyer. Die gelernte Bilanzbuchhalterin konzentriert sich seit 2009 auf das Schreiben von Regionalkrimis und Kurzgeschichten und kann auf einige Preise und Auszeichnungen blicken, u.a. auf den 1. Platz des Literaturwettbewerbs der Zeitschrift MAXI und der S. Fischer Verlage mit dem Kurzkrimi Anders-Artig." Mehr erfährt der Leser auf ihrer wirklich sehenswerten Website www.kerstinlange.com.

Kommissar/e

Protagonist und Ermittler ist Ferdinand Weber, der seit seiner Pensionierung nicht mehr ermitteln darf. Das weiß Weber, kann es aber nicht lassen, sich mit dem früheren Kollegen Hartmut aus der Polizeischule ein wenig auszutauschen und seinen ehemaligen Kollegen Kommissar Christian Hamacher ein wenig auszuhorchen. Wie so häufig ist noch ein weiterer Kollege im Spiel und der heißt Zufall.

Tatort/e