Rezension

In dieser Geschichte verschlägt es Maigret und seinen Mitarbeiter Lucas in einen kleinen Küstenort, mit gerade einmal eintausend Einwohnern, in der Normandie. Es ist Herbst, etwa im Jahr 1930. Die beiden begleiten Kapitän Joris von Paris zu seinem Wohnort Ouistreham, dem Handelshafen des etwa vierzehn Kilometer entfernten Caen. Von dem stets freundlichen Joris kennt man erst seit ein paar Tagen die Identität. Er war seit dem 16. September verschwunden und irrte orientierungslos durch Paris, als man nach sechs Wochen aufgriff. Er ist tadellos gekleidet, spricht kein Wort und trägt eine schwere, gut verheilte, Schussverletzung am Kopf. Seine Haushälterin Julie erkannte ihn auf einem Foto in der Zeitung und sitz nun gemeinsam mit den beiden Polizisten und „ihrem“ Kapitän im Zug. Ihre Gefühle schwanken zwischen Furcht und Rührung. Nicht nur die Sprachlosigkeit des Kapitäns und seine Schussverletzung geben Maigret und Lucas Rätsel auf, sondern auch dreihunderttausend Franc, die plötzlich auf dem Konto von Monsieur Joris auftauchen. Joris, der bis zum 16. September Hafenmeister war und zudem allseits beliebt ist, lächelt weiter und gibt allen Rätsel auf. Am Morgen nach seinem Eintreffen in Ouistreham wird Kapitän Joris tot in seinem Bett aufgefunden. Er wurde vergiftet. Bei den Ermittlungen in dem kleinen Ort, vornehmlich in der kleinen Seemannskneipe und rund um die Schleuse, fühlt sich der berühmte Kommissar in seinem Element. Draußen raue Kommandos von Männern, die wegen des um diese Jahreszeit herrschenden Nebels gesichtslos sind, drinnen wortkarge Typen, die sich schwer damit tun, einem Ermittler aus Paris Fragen zu beantworten. Es wird Zeit für den ersten Auftritt des Bürgermeisters. Wie es seine Art ist, beantwortet Maigret Fragen des Bürgermeisters grundsätzlich nicht, sondern stellt selber Fragen, auf deren Beantwortung er besteht. Der Bürgermeister gibt sich selbstgefällig, fühlt sich überlegen gegenüber dem Kommissar aus Paris und fordert schleunigst Aufklärung. Auch ein weiterer Staatsdiener, der Staatsanwalt aus dem benachbarten Caen, schlägt sich auf die Seite seines Freundes, des Bürgermeisters, und gibt dem Kommissar gute Ratschläge für die Suche nach dem Mörder. Die häufigen Besuche in der einzigen Kneipe des Ortes und der fast vertrauliche Umgang Maigrets mit „diesen“ Lauten stärken nicht gerade das Vertrauen der Obrigkeit in den Ermittler. Maigret ermittelt auf der Straße. Er ist kein Mann für den Schreibtisch. Er stürzt, er wird nass, er scheut nicht die Begegnung mit dunklen Gestalten und beginnt zu kombinieren. Das Beobachten von Menschen, in deren Gesichtern er liest, bringt den Kommissar auf eine Spur, der er im wahrsten Sinne des Wortes nachgeht. Zusammen mit Lucas. Das Verfolgen von Spuren und Menschen, nicht das Durchforsten von Dateien, Prüfen von Alibis und lange Gespräche mit dem Gerichtsmediziner sind Inhalt der Ermittlungen. Einzig das Verfolgen von Telefonanrufen ist möglich, ganz einfach deshalb, weil es so wenige Anschlüsse gibt und alle Gespräche per Hand vermittelt werden. Die Vorhaltungen des Bürgermeisters nehmen zu. Maigret und Lucas ermitteln jetzt Seite an Seite. Auch in dieser Geschichte bietet Simenon dem Leser eine hervorragende Beschreibung der Landschaft. Nein, ich würde einen „Maigret“ niemals als Regionalkrimi beschreiben, das würde in diesem Fall möglicherweise abwertend klingen. Aber als einen erstklassigen Kriminalroman, der ganz bewusst einer bestimmten Region zugeordnet wurde.

Georges Simenon
Maigret und der geheimnisvolle Kapitän

ISBN: 97833111301554

Verlag: Kampa Verlag

Erschienen: 25.10.2024

Seitenzahl: 240


Bewertung

5/5 Region

5/5 Sprache

5/5 Originalität

5/5 Emotion

5/5 Plot (das Handlungsgerüst)


Gesamtbewertung

Informatives

Autor/en

Ich fasse mich ganz kurz, denn es gibt im Netz eine Fülle lesenswerter Informationen zu diesem berühmten Autor. "Georg Joseph Christian Simenon war ein belgischer Schriftsteller. Bekannt wurde er vor allem als Autor von insgesamt 75 Kriminalromanen um die Figur des Kommissars Maigret."(Wikipedia)

Kommissar/e

Kriminalkommissar Maximilian Engel verbringt seine geplanten Urlaubswochen in der Gaal, eine Gemeinde in der Steiermark. Dort quartiert er sich ein, gibt sich als Kommissar zu erkennen, wird von den Bewohner akzeptiert und ermittelt harmlos fragend, wandernd, staunend und sinnierend. Stattdessen lange Gespräche mit einem Schäfer, das Beschäftigen mit einem unglaublich vermögenden Uhrmacher. Gedankliche Ausflüge in die Tagespolitik, droht eine Gefahr von rechts, wird ein Grüner unterdrückt? Engel nimmt sich kleine Auszeiten während der Ermittlungen. Er ist Genießer, aber nicht Prasser. Er ist leise, aber niemals einschmeichelnd. Eine "neue" Ermittlerfigur, die mich an wenig an Maigret erinnert.

Tatort/e