Es ist ein ganz besonderer Ort, an dem Maigret ermitteln muss: die Insel Porquerolles. Es ist „die größte Insel der Inselgruppe von Hyères (Îles d’Hyères bzw. Îles d’or). Sie liegt vor der französischen Mittelmeerküste im Bereich der Côte d’Azur in der Nähe von Toulon“ (so schreibt WIKIPEDIA). Als „ganz besonders“ kann man auch die Begleitung des Kommissars bezeichnen. Inspektor Pyke von Scotland Yard soll den berühmten Maigret bei der Arbeit begleiten und beobachten. Maigret ist diese Begleitung unheimlich. Er, der am liebsten allein und unbeobachtet ermittelt, hat plötzlich einen ständigen Begleiter. Bereits die Situationsbeschreibungen, die sich aus dem Miteinander der beiden ergeben, sind lesenswert. Maigret denkt über Pyke: „Er überlegte so scharf, dass man meinte, es hören zu müssen und das wirkte allmählich ermüdend.“ Es ist nicht so, dass der Kommissar Grund hätte, sich über den Gast beschweren zu können. Nein, es ist schlicht das Perfekte in jeglicher Hinsicht, das Maigret irritiert. Die permanente Präsenz eines Menschen, der ihn bei der Arbeit ununterbrochen schweigend analysiert und, wenn er einmal fragt, auch die richtigen Fragen stellt. Mir ist dieser Pyke übrigens nicht unsympathisch. Der Grund für die Reise auf diese zauberhafte Insel schnell erklärt. Der ermordete Fischer brüstete sich am Abend vor seinem Tod in einem größeren Kreis, ein Freund des Kommissars zu sein und zeigte zum Beweis einen Brief, der das belegte. Der Nachdruck, mit dem der Fischer auf seine Freundschaft zu dem berühmten Kommissar verwies, lassen Maigret keine andere Wahl, als selbst vor Ort zu ermitteln, obwohl die Insel wirklich nicht zu seinem Bezirk zählt. Das unter dem Schutz des Nationalparks Port-Cros und des staatlichen Instituts für Meeresbotanik stehende Eiland ist ein kleines Paradies. Demzufolge lockt es nicht nur Touristen, sondern auch allerhand Sonderlinge, skurrile Gestalten, darunter ärmere und reichere, an. Ein Sammelbecken für all jene, die aus einer geregelten Gesellschaft ausbrechen wollen und die hier genügend Gleichgesinnte finden. Es geht dabei gesittet und geruhsam zu. Es herrscht das notwendige Maß an Ordnung, das unerwünschte Auswüchse verhindert. Ein jeder hat Verständnis für den anderen. Bis auf einen. Den Mörder des Fischers. Simenon betreibt sehr anschaulich das Leben auf der Insel. Ruhe, Gelassenheit, geregelte Tagesabläufe, denen sich die Bewohner wie einem Ritual unterziehen. Einer der letzten Zufluchtsorte für Träumer und Spinner? Die Voraussetzungen sind gegeben. Wer von diesen Inselbewohnern hatte auf einen seiner Mitmenschen einen solchen Hass, dass er sich zu einer solchen Tat hinreißen ließ? Maigret mischt sich unter die Leute, wird für ein paar Tage Teil der Gesellschaft, weckt Vertrauen und passt sein Leben ihrem Leben an. Spurensicherung, Laborberichte, Erkenntnisse des Gerichtsmediziners sind in diesem Fall ohne Bedeutung. Es geht darum, dem Grund für diese Tat auf die Spur zu kommen. Das gelingt Maigret, aber diesen Kommissar bewegen am Ender der Geschichte weder Stolz noch Freude. Seine ganze Abscheu drückt sich in nur einem Wort aus: „Mistfinken“.