Rezension
Ein Preßhaus ist ein kleines, häufig unscheinbares Gebäude, dessen eigentliche Bedeutung erst „unter der Erde“ beginnt. Es trägt manchmal auch die Bezeichnung Weinberghaus, ist aber nicht zum Wohnen, sondern zum Pressen von Wein und mitunter auch zum Lagern gedacht. Der Keller, meistens ein Gewölbekeller, ist dabei sehr viel größer als das darauf stehende Gebäude und hat häufig die Form einer Röhre. 
Die geringe Größe eines Preßhauses lässt den richtigen Schluss zu, dass das jeweils dazugehörende Weingut eher eine bescheidene als eine üppige Größe aufweist.
Das Wissen um die Funktion eines Presshauses ist wichtig für das Verständnis der Regionalkrimis von Alfred Komarek. Es fehlen noch die Hinweise, dass mehrere nebeneinander stehende Presshäuser eine Kellergasse bilden können und diese Gassen ein einmaliges und erhaltenswertes  Kulturgut in Niederösterreich darstellen.
Haben Sie noch ein wenig Geduld. Es lohnt sich, erst recht, wenn Sie dem Genuss von Wein nicht abgeneigt sind. 
Bei meiner Recherche im Internet fand ich sogar eine „Richtlinie für die Erhaltung der Kellergassen in Niederösterreich“.  
Wenn Sie weiteres Anschauungsmaterial zu Preßhäusern suchen, sollten Sie in österreichischen Immobilienportalen entsprechende Suchbegriffe eingeben. Hier finden Sie in den Verkaufsofferten gutes Anschauungsmaterial und treffende Beschreibungen. Nach der Lektüre sind Sie fit in Sachen Preßhaus.  
Brunndorf, so heißt das fiktive niederösterreichische Weinbauerndorf im Weinviertel, liegt nahe der tschechischen Grenze. Das Weinviertel erstreckt sich nordöstlich von Wien bis an die Grenze zu Tschechien.  
Simon Polt heißt der Gendarmerie-Inspektor. Ihm gehören ein höchst eigenwilliger Kater namens Czernohorsky und ein Fahrrad, aber keine Frau und kein eigener Schreibtisch in seiner Dienststelle. Nur dem Sachbearbeiter und dem Postenkommandanten, also dem Dienststellenleiter, stehen nach der Beschreibung des Autors noch eigene Schreibtische zu. 
Eine sehr enge und kleine Welt, dieses Brunndorf und seine Bewohner. Bei den Männern, vorwiegend Winzer, geht es das ganze Jahr über, im Herbst aber nahezu ausschließlich, um das Ergebnis der Weinlese. Es wird zusammengehockt, getrunken und verglichen, dass man schon beim Lesen einen Rausch bekommt.  
Simon Polt, der auch vom eigenen Preßhaus träumt, ist mittendrin. Er kann nicht vor und zurück, weil er zu den Brunndorfern gehört und auch zu ihnen gehören will.  
Und wenn in dieser kleinen, vermeintlich heilen, Welt jemand auf andere Art und Weise ums Lebens kommt, als durch Alter oder Krankheit, dann steckt der Simon seine Nase eine Weile nicht mehr in jedes Weinglas, das ihm angeboten wird, sondern in anderer Leute Privatleben. 
Dann wird aus dem Simon der Gendarm Polt, der plötzlich nicht nur seinem direkten Vorgesetzten Karl Mank, sondern, viel schlimmer noch, auch noch Inspektor Kratky aus Wien über den Stand seiner Ermittlungen berichten muss. 
Wahrlich nicht zu beneiden ist der Simon, wenn er sich in erkennbarer Absicht einem Weinbauern nähert, um ihn über dessen Wissen zum Vorleben des Ermordeten zu befragen. Auch wenn er seinem Gegenüber ausdrücklich als Simon und nicht als Gendarm gegenübertritt, so weiß doch jeder im Ort um sein Amt und sein unablässiges Arbeiten und Denken über die schreckliche Tat, die der Aufklärung bedarf. Dieses Schwanken der Bürger zwischen Vertrauen und Verschweigen wird treffend beschrieben. Der Leser muss sich aber Zeit nehmen und dem Tempo der Ereignisse anpassen. 
Das mühsame und emsige Zusammentragen von Gehörtem und dem Zusammensetzen zu einem Bild, das ist die Welt des Gendarmen Polt. Deshalb steht am Ende einer Geschichte auch nicht der strahlende Held mit rauchendem Colt in der Hand da, sondern ein nachdenklicher Mitbürger von Brunndorf, der aus rein geschäftsmäßigem Interesse in die menschlichen Abgründe seiner Mitbürger schauen musste.
Zum Trost gibt’s für ihn die Karin, den Kirchwirt und den dicken Kater mit dem unaussprechlichen Namen. 
Ich weiß nicht mehr, wem ich den Hinweis auf Alfred Komarek verdanke. Jedenfalls freue ich mich immer wieder, wenn ich eines dieser Bände zur Hand nehme. Die Polt-Reihe gehört für mich zu den besonders wertvollen Regionalkrimis. Die Region ist greifbar. Die Sprache trägt wesentlich zum Verständnis des Lokalkolorits bei. Und ich erhalte Anreize, mir mehr Wissen zu und über diese Region anzulesen. So zum Beispiel, wie das Waffenrad, das Simon Polt gehört, zu seinem Namen gekommen ist. 
Der Diogenes Verlag hat zum Erscheinen des zuletzt erschienen Bandes Polt ein kleines Heftchen herausgegeben, dass neben einer Leseprobe allerhand Wissenswertes zu dem Protagonisten enthält. Eine gute Idee. Ebenso wie der Einfall des Autors, jedes seiner Polt-Büchlein, mitten im Text, mit einer kleinen erklärenden Zeichnung zu versehen. Eine stellt beispielsweise den „Situationsplan Brunndorfer Kellergassen und Kellerverbindungen“dar. Gelesen habe ich alle fünf Polts, die sämtlich bei Diogenes erscheinen.  
Zu dem Autor schreibt der Verlag: „Alfred Komarek, geboren 1945 in Bad Aussee, lebt als freier Schriftsteller in Wien. Alfred Komareks erster Kriminalroman Polt muss weinen wurde mit dem Glauser 1999 ausgezeichnet“. Mehr über den Autor finden Sie auf seiner wirklich gut strukturierten Website www.alfred-komarek.at.
Alfred Komarek
Polt muß weinen


Bewertung

5/5 Region

5/5 Sprache

5/5 Originalität

5/5 Emotion

5/5 Plot (das Handlungsgerüst)


Gesamtbewertung

Informatives

Autor/en

Alfred Komarek, geboren 1945 in Bad Aussee, lebt als freier Schriftsteller in Wien. Sein erster Kriminalroman "Polt muss weinen" wurde mit dem Glauser 1999 ausgezeichnet". Mehr über den Autor finden Sie auf seiner wirklich gut strukturierten Website www.alfred-komarek.at.

Kommissar/e

Simon Polt. Der Gendarmerie-Inspektor lebt und arbeitet in einem kleinen Dorf im Weinviertel, nordöstlich von Wien. Ihm gehören ein Kater und ein Fahrrad. Einen eigenen Schreibtisch hat er ebenso wenig wie eine Frau. Er hört gut zu und stellt die richtigen Fragen.

Tatort/e