Rezension
Dieses Loisachtal mit diesem Garmisch-Partenkirchen und der Zugspitze, also, ob ich da noch einmal auf dem Weg an den Gardasee durchfahre, ich weiß nicht. Lieber, von München kommend, über die E45 an Innsbruck vorbei und rauf zum Brenner.Das ist ja ein Sumpf, dieser 26.000 Einwohner zählende Marktflecken im Werdenfelser Land. Den Bürgermeister eingeschlossen.
Und immer muss es der Karl-Heinz „Gonzo“ Hartinger richten. Stimmt auch nicht ganz. Er steckt halt seine Nase sozusagen berufsmäßig in Angelegenheiten, die ihn zwar nichts angehen aber interessieren. Denn Gonzo ist „Heimatmensch“ und daher mit dem Loisachtal sehr eng verbunden. Und wenn da Veränderungen in nicht zu überschauender Größenordnungen geplant werden, die die Zukunft seiner geliebten Heimat betreffen, da kann der Gonzo ganz schön sauer werden. Da kennt er nichts, nur noch seine Dotti, also Frau Dr. Dorothee Allgäuer, Kurt Weißhaupt (beide aus München) und den Heimatforscher Albert Frey aus Garmisch-Partenkirchen. Und die Kathi, die Mutter seines Sohnes.
Gonzo´s Situation hat sich seit Band Zwei leicht verbessert. Karl-Heinz Hartinger kann sich seit dem für ihn rühmlichen Ende in Herrgottschrofen nicht nur sehen lassen, sondern auch erhobenen Hauptes durch den Ort gehen. Schließlich wurde ihm die Ehrenbürgerschaft verliehen – er hat dem Bürgermeister in Herrgottschrofen das Leben gerettet.
Seine Gegner im Ort können nur noch knurren, nicht mehr beißen und seit es Dotti gibt, hat er auch etwas fürs Herz. Die neue Auszeichnung als Ehrenbürger hat beim Garmisch-Partenkirchener Tageblatt immerhin so viel Eindruck hinterlassen, dass Gonzo als Tagblatt-Fotograf regelmäßige Beschäftigung und als Folge davon regelmäßiges Einkommen hat.
Die Welt ist in Ordnung.
Bis zu dem Tag, an dem der schwerreiche Oliver Klammert im Ort erscheint und Gonzo als (bezahlten) Fremdenführer engagiert. Auf ausdrücklichen und nachdrücklichen Wunsch des Redaktionsleiters, der widerum auf Weisung des Verlegers handelt. Spätestens als Olli (beim Laufen duzt man sich) Gonzo die Laufstrecke vorgibt, hätte zumindest ein Alarmglöckchen in dem Dickschädel des Karl-Heinz Hartinger klingeln müssen. Hat es aber nicht. Auch nicht, als Olli zielsicher das Grand Hotel Sonnenbichl ansteuert und den ausdrücklichen Wunsch einer Besichtigung des Hauses „von oben bis unten“ fordert. Mit der für Gonzo und den Hoteldirektor erstaunlichen Begründung, dass der Milliardär das Grand Hotel kaufen und verständlicherweise vorher einer Inaugenscheinnahme unterziehen möchte.
Auch den Dachboden möchte sich Olli anschauen. Ungewöhnlich aber verständlich. Ungewöhnlich aber nicht verständlich ist dann der Fund einer Leiche in einer abgelegenen Ecke des Bodens.
Die ungeklärte Identität des Toten sorgt bei Gonzo für Betriebsamkeit. Die möchte Bernd Schneider vom Bayerischen Landeskriminalamt kontrollieren und setzt den Tagblatt-Fotografen unter sanften Druck – die Mittel dazu hat er (leider).
Der Fund dieses namenlosen Toten passt so überhaupt nicht in das Szenario, dass sich der investitionswillige Oliver Klammert und der Bürgermeister vorgestellt haben.
Es geht in Stieranger um die Zukunft des Ortes, von der die Akteure höchst unterschiedliche Vorstellungen haben. Da wird sorgfältig recherchiert, hoch gepokert, da werden kühne Versprechungen gemacht und das Geld schon angelegt, bevor es auf dem Konto ist. Unbeirrt von den gedanklichen Höhenflügen verfolgt Gonzo seine Spur. Er kämpft mit seinen Möglichkeiten um seinen Heimatort.
Wie Marc Ritter seinen Protagonisten im Zaum hält und ihn nicht zum Helden werden lässt, ist bewundernswert. Dafür macht der Autor von seinem Recht „der freien Rede“ an anderen Stellen reichlich Gebrauch. Er schaut den Menschen im Loisachtal aufs Maul und schreibt, was er hört.
Stieranger ist der dritte Band um den Lokalreporter Karl-Heinz „Gonzo“ Hartinger. Er erschien 2014 nach Josefibichl und Herrgottschrofen. Neben meinem Laptop liegt der Anfang 2015 erschienene Band Frauenmahd und will auch gelesen werden.
Eine ganze Menge Wissenswertes über den Autor erfahren Sie unter www.marcritter.de.
Alle Bände erscheinen bei Piper.
Marc Ritter
Stieranger


Bewertung

5/5 Region

5/5 Sprache

5/5 Originalität

5/5 Emotion

5/5 Plot (das Handlungsgerüst)


Gesamtbewertung

Informatives

Autor/en

"Marc Ritter, geboren 1967 in München, wuchs in Garmisch-Partenkirchen auf, wo er nach dem Abitur Zivildienst machte und für eine Garmisch-Partenkirchner Lokalzeitung über Politik, Sport und Nachtleben berichtete. Zum Studium von Germanistik, Politikwissenschaften und Werbepsychologie sowie einer Marketingausbildung kehrte er nach München zurück. Ritter arbeitete als Manager für große deutsche und amerikanische Print- und Online-Medien und ist seit mehreren Jahren als Unternehmensberater tätig. Er wohnt mit seiner Familie in München."

Kommissar/e

In Schere 9 soll sich Hauptkommissar Heinz Baldur um die Klärung all der Fragen klären, die im Zusammenhang mit der Ermordung untreuer Ehemänner stehen. Er war voher Erster Hauptkommissar von der Kölner Mordkommission und ist seit etwa acht Monaten Hauptkommissar bei der Frankfurter Mordkommission. In Köln wäre er fast selbst Mordopfer geworden, eine Therapie hat er abgelehnt. Der Kölner Oberstaatsanwalt Theo Prunk hatte sich höchstpersönlich darum bemüht, Hauptkommissar Heinz Baldur nach fünf Wochen wieder diensttauglich zu schreiben „Neue Stadt, neue Herausforderungen, die Altlasten in den Rhein und am Main neue Fälle.“ Aber die Phantasie in seinem Kopf läßt ihn manchmal schwer Wahn und Wirklichkeit auseinanderhalten. Heinz Baldur ermittelt weiter in Die Alpen sehen und sterben. Mehr verrate ich an dieser Stelle nicht. Hier schlüpft er in eine ganz besondere Rolle.

Tatort/e