„Ein neuer Fall für Leo Wechsler“ könnte Tod in Blau auch heißen. Aber das wäre zu banal und würde dem Inhalt nicht gerecht werden. Ich möchte die Bände um Kriminalkommissar Leo Wechsler auch als Zeitdokumente bewerten. Denn die Stimmung dieser zwanziger Jahre beschreibt die Autorin bis ins (wissenswerte) Detail.
Susanne Goga beschäftigt sich in ihren Büchern nicht nur mit den unzähligen Schicksalen derer, die täglich neu um ihre Existenz kämpfen müssen, sondern auch mit der vergleichsweisen dünnen Oberschicht, die auch nach dem verlorenen Krieg immer noch zu den Gewinnern zählen. Stand, Herkunft, Beziehungen und Verbindungen verhelfen vielen zu einem Leben in einer Parallelwelt (so würde man es heute wohl bezeichnen).
Ich kann mir diese Betrachtung nicht verkneifen lieber Leser, schließlich ist das gesellschaftliche Leben zur damaligen Zeit untrennbar mit der Handlung verbunden.
Leo Wechsler und seine Ermittlergruppe sollen den Tod des Malers Arnold Wegner aufklären. Mysteriös scheinen nicht nur die Umstände seines Todes zu sein, sondern auch der Inhalt seiner Bilder. Wegner lässt sich stark von privaten Empfindungen leiten. Übertreibung, Verzerrung und Rohheit in der Darstellung lassen manchen Betrachter zurückschrecken. Für die Vertreter der ehemals oberen Klasse ist „die Kunst von heute Ausdruck unserer kranken Gesellschaft“.
Wer hatte ein so starkes Motiv, dass er diesen Maler umbringen musste?
Gewiss konnte man geteilter Meinung sein, was seine Bilder betraf, aber als Mensch war er beliebt. Bei manchen Damen sogar sehr beliebt.
Die mühsamen Befragungen führen die Polizei auf die Spur eines Jungen. Sein Name ist Paul Görlich, sein Schicksal bedauernswert, sein Zuhause erbärmlich. Dieser Junge könnte den Ermittlern weiterhelfen – aber er ist verschwunden.
In Tod in Blau hat Paul den Preis für die beste Nebenrolle verdient.
Susanne Goga widmet auch in diesem Buch der Arbeit der Ermittler große Aufmerksamkeit. Ergebnisse fallen ihnen nicht in den Schoß, sondern werden mit viel Fleiß und Aufwand erarbeitet.
Und dann ist da noch Leo Wechsler, vielmehr sein Privatleben. Auch darum kümmert sich die Autorin sehr fürsorglich.
Wie war das damals, als sich zwei Menschen sympathisch waren und jeder diese Feststellung schön lange für sich behielt? Blicke statt SMS und ein unangekündigter Besuch statt einer Mail. So war das.
Die Lösung des rätselhaften Falles bereitet Susanne Goga mit Ruhe und Sorgfalt vor. Die Handlung wird stetig dichter. Dabei bleiben noch genügend Akteure im Rennen, um das Ende spannend zu gestalten. Denn davon versteht die Autorin etwas – es ist schließlich ein Krimi. Wie alle anderen Bände um Leo Wechsler erscheint auch dieser bei dtv.