Rezension
Klingt irgendwie gemütlich, behaglich – passt zu Weihachten. Endlich lernt der Leser auch Madame Maigret, Louise, kennen.
Das kinderlose Paar verbringt die Weihnachtfeiertage in seiner stillen Wohnung am Boulevard Richard-Lenoir 132 (auf Google Maps werden Sie sehen, dass es sich um ein Eckhaus handelt mit einem Café im Erdgeschoss).
Von weihnachtlicher Freude ist bei den beiden wenig zu spüren. Die Stimmung ist gedrückt.
Warum?
Jules und Louise Maigret erleben Kinderlachen nur draußen. Auf der Straße, oder wenn der Schall in ihre Wohnung dringt. Jules ist jenseits der fünfzig. Das Leben wird für die beiden so weitergehen wie bisher.
Simenon vermittelt dem Leser mit jeder Zeile diese bedrückende Stimmung.
Liebe Leser, Sie warten auf Mord und Totschlag? Auf einen ermittelnden Maigret?
Soviel darf ich Ihnen verraten: Simenon bietet Anspannung und stellt das Ehepaar Maigret in den Mittelpunkt der Geschehnisse. Ein Bühnenstück, das gleichzeitig ein Meisterstück ist. Dieses gerade einmal 115 Seiten dünne Büchlein wird Sie einnehmen. Ich verspreche Ihnen anhaltende Nachwirkungen. In Staunen und Erstaunen wird Sie der kleine Band versetzen. Es steht zwar „Weihnachten“ auf dem Cover, er sollte aber auch Jahreszeiten unabhängig gelesen werden.
Maigret wird dieses Mal in die ungewöhnliche Lage versetzt, aus seiner Wohnung zu ermitteln, da ihm der Fall im wahrsten Sinne des Wortes ins Haus getragen wird. Und von diesem Moment an ist das Ehepaar Maigret unausweichlich mit den Fall-Umständen verbunden. Natürlich erleben wir den uns bekannten Maigret. Pfeife rauchend, nachdenklich, mit dem Büro telefonierend, Anweisungen erteilend, stets den nächsten Schritt im Kopf.
Und dann kommt der Schluss.
Es wird kein Täter nach einem Schusswechsel abgeführt. Kein Triumpf auf Seiten der Ermittler.
Es gibt stattdessen eine kleine Freude, so etwas wie ein Geschenk, ein wenig Glück, wenigstens für einige Zeit.
Das Büchlein enthält auch ein Nachwort von Dror Mishani. Das müssen Sie unbedingt lesen – es gehört zum Buch. Mishani ist ein israelischer Schriftsteller und Autor von Kriminalromanen. Das Nachwort enthält wertvolle Informationen und Erkenntnisse zur Geschichte.
Weihnachten bei den Maigrets erschien Ende 2018 im Kampa Verlag, Zürich. Es ist Band 103 von Georges Simenon. Die französische Originalausgabe erschien 1951 unter dem Titel Un Noel de Maigret. Die deutsche Erstausgabe erschien 1962 unter dem Titel Maigret und der Weihnachtsmann.
Den letztgenannten deutschen Titel empfinde ich als sehr unglücklich gewählt, weil er (nach der Lektüre des Buches) einen falschen Eindruck vermitteln kann.
Georges Simenon
Weihnachten bei den Maigrets


Bewertung

5/5 Region

5/5 Sprache

5/5 Originalität

5/5 Emotion

5/5 Plot (das Handlungsgerüst)


Gesamtbewertung

Informatives

Autor/en

Ich fasse mich ganz kurz, denn es gibt im Netz eine Fülle lesenswerter Informationen zu diesem berühmten Autor. "Georg Joseph Christian Simenon war ein belgischer Schriftsteller. Bekannt wurde er vor allem als Autor von insgesamt 75 Kriminalromanen um die Figur des Kommissars Maigret."(Wikipedia)

Kommissar/e

Kriminalkommissar Maximilian Engel verbringt seine geplanten Urlaubswochen in der Gaal, eine Gemeinde in der Steiermark. Dort quartiert er sich ein, gibt sich als Kommissar zu erkennen, wird von den Bewohner akzeptiert und ermittelt harmlos fragend, wandernd, staunend und sinnierend. Stattdessen lange Gespräche mit einem Schäfer, das Beschäftigen mit einem unglaublich vermögenden Uhrmacher. Gedankliche Ausflüge in die Tagespolitik, droht eine Gefahr von rechts, wird ein Grüner unterdrückt? Engel nimmt sich kleine Auszeiten während der Ermittlungen. Er ist Genießer, aber nicht Prasser. Er ist leise, aber niemals einschmeichelnd. Eine "neue" Ermittlerfigur, die mich an wenig an Maigret erinnert.

Tatort/e